Zu 1. Petrus 4, 7 – 11

Liebe wird in unserer Zeit groß geschrieben. Sie wird von überall her verheißen, sie kommt in jedem Schlager vor. Wir warten auf die große Liebe, wenn sie dann vergangen ist, dann warten wir wieder auf sie. In der Love Parade wird sie gefeiert. Sie ist immer eine Schlagzeile wert.

Wenn man das so hört könnte man meinen, wir lebten inzwischen im Paradies. Aber wenn man dann die Einschätzung der Menschen hört, dann klingt das ganz anders. Lieblos ist die Welt geworden, sagen sie nicht ohne zu verheimlichen, daß ihrer Meinung nach früher alles besser war. Lieblos, wie die Menschen miteinander umgehen. Jeder ist sich selbst der Nächste. Der Mitmensch wird danach taxiert, wieviel er mir bringen kann, was er leisten kann, was er der Gesellschaft bringt. Kalt gehen die Konzerne mit den Menschen um, zynisch die Politiker mit den Wählern. Jeder bereichert sich wo er nur kann.

Hier fällt soweit auseinander, was gesagt wird und was Realität ist. Es scheint so zu sein, daß je mehr in der Welt von Liebe die Rede ist, desto weniger wird sie gelebt. "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt", sagen Unternehmen über ihre Philosophie, aber hinter vorgehaltener Hand wird zugegeben, daß er natürlich nirgendwo so im Wege wäre.

Also böse Welt, alles muß besser werden und wo bleibt denn da die Moral!!! Ich gebe zu, daß ich Zweifel an der Richtigkeit der These habe, daß alles früher oder woanders viel besser war. Nicht die Gesellschaft ist lieblos geworden. Wir sind lieblos. Die Menschen gehen lieblos miteinander um. Und das ist keine Erfindung des zwanzigsten oder einundzwanzigsten Jahrhunderts, auch wenn einige besonders effektive Auswüchse menschlicher Abgründe die modernen Zeiten prägen.

Die Bibel weiß um die Lieblosigkeit der Menschen. Viele Geschichten erzählen von der Ichsucht, von der Gier, vom Begehren. Gott kennt seine Menschen. Deshalb prangert die Bibel die Lieblosigkeit an. Von den Geboten, die helfen sollen den Blick des Gewissens am anderen zu schärfen, über die Propheten, die uns lehren die gesellschaftlichen und politischen Lieblosigkeiten der Mächtigen zu erkennen und anzuklagen bis zu Jesus, der uns mit dem Doppelgebot der Liebe zu einem anderen Verhalten befreien will.

In dieser Tradition wendet sich der Schreiber des Petrusbriefes an die Gemeinde. Aus der Sicht auf das von Gott gesetzte Ende der Welt ruft er die Gläubigen zur Liebe auf. Und er wird ganz konkret. Gastfreundlichkeit, Dienen und Gott loben fördert die Liebe. Das ist nun gar nicht unser Geschmack. Gastfreundlich ist man in guten Hotels. Zu sehr guten Freunden sicher auch, wenn sie nicht zu lange bleiben natürlich nur. Aber dann auch noch dienen. Chef wollen wir sein. Voran kommen ist gefragt. Sich dienen lassen ist in, aber dienen?? Gott loben – ok, sonntags, wenn ich pünktlich wach bin, dann kann ich das ja machen, aber sonst kann ich mit meiner Zeit was anderes anfangen.

Oft erwische ich mich selbst bei solchen Gedanken. Ein Hobby sticht schnell die Familie aus. Bei der Arbeit, da hat man keine Wahl, wer voran kommen will, muß auch Schwein sein. Allerdings genieße ich ja auch Macht zu haben und auszuüben. Geht es Ihnen auch so, daß sie sich von Texten wie diesen zerissen fühlen. Sicher möchten wir eine Welt, in der die Liebe die Vorherrschaft hat. Sicher sehen wir ein, daß Jesu Botschaft auch für uns heißt, auch den unteren Weg zu gehen, nicht auf Kosten des anderen gewinnen zu wollen, nicht alles haben zu wollen um des Habens willen, während andere nicht wissen, was sie morgen essen sollen. Aber wenn es dann konkret wird, dann wird es mächtig in uns. Die Zwänge werden hochgespielt, die Wünsche verglichen mit anderen, die ja noch größere haben. Wir reden uns die Harmlosigkeit unseres Tuns ein und wissen doch, wenn wir ehrlich sind, daß wir alles in die Welt bringen, nur keine Liebe.

Wir freuen uns an den Geschenken Gottes. Wir erkennen unsere Gaben und wir danken auch dafür. Wir sind ja gar nicht so verblendet, daß wir meinen, alles nur aus uns selbst heraus zu haben. Aber einsetzen wollen wir das natürlich für unsere Zwecke. Für Gottes Zwecke ist in unserem Leben keine Zeit oder in unseren Verhältnissen kein Raum. Mir geht es auf jeden Fall oft so.

Aber die Bibel kennt die Liebe nicht nur als Anspruch an uns. Wenn das alles wäre, dann müßten wir verzweifeln und es wäre besser, wir hätten nie davon erfahren. Die Bibel verkündet vor allem die Liebe Gottes zu uns. Auch wenn es nicht für uns verständlich ist, Gott liebt uns Menschen. Und er liebt uns so sehr, daß er für uns seinen Sohn geopfert hat. Der Tod Christi am Kreuz von Golgatha ist der Sieg der Liebe Gottes über die Früchte unserer Lieblosigkeit.

Gott liebt uns zuerst. Gott will uns die Kraft zur Liebe und zu den Taten der Liebe schenken – jeden Tag aufs Neue. Und Gott ist bereit unser Versagen zu verzeihen und es wieder mit uns zu probieren – jeden Tag aufs Neue. Davon leben wir. Damit können wir leben. Gott hat den Mächten, die uns die Lieblosigkeit vorschreiben wollen, die Macht über seine Gläubigen genommen. Gott bestimmt das Ende der Welt. Die Wichtigkeit der Mächte, Dinge und Zwänge dieser Welt hat Gott zurückgestuft, damit wir frei davon werden können. Jeden Tag aufs Neue dürfen wir die Freiheit der Kinder Gottes lernen, jeden Tag aufs Neue dürfen wir die Liebe Gottes weitergeben in der Lieblosigkeit dieser Welt. Und jeden Tag aufs Neue erhalten wir die Vergebung unserer Lieblosigkeiten.